... beim Fenster rausschaun, den Schneeflocken beim Auf- und Abtanzen zusehen. Dabei die Finger an einer Tasse "Hot Chocolate" wärmen und warten bis die Zeit vergeht ...

Das ist im Prinzip ein schöner Zeitvertreib, wenn nicht das schlechte Gewissen in mir nagen würde weil ich offiziell "arbeite". Gibts denn so was, jetzt fühl ich mich schon schlecht, weil es nichts zu tun gibt für mich.

... soweit der Lagebericht im Telegrammstil.

Na gut, ich hol doch etwas weiter aus und erzähl von Anfang an. Nach einem kurzen Zwischenstopp daheim, am Sonntag den 22. Februar, gings am Montag schon wieder über den Ozean. Die Route war von Wien ueber Frankfurt nach Toronto, und von dort weiter nach Winnipeg.

Auf dem Einreiseformular hab ich zum ersten mal als Einreisegrund "Business" angekreuzt. Diesmal hatte ich ja genügend Zeit die Prozedur ueber mich ergehen zu lassen. Appartmentschlüssel waren schon gecheckt und der Anschlussflug ging erst in 3 Stunden. Also auf ins Immigration-Extrazimmer. Dort ist mir natürlich gleich was peinliches passiert, hab ich doch ein bissl schwindeln muessen und habe angegeben das erste mal in Kanada zu arbeiten.

Für alle die zu faul zum Nachlesen sind: bei meinem ersten Kanada-Aufenthalt erfuhr ich in der letzten Minute dass 2 Tage vor meiner Einreise das Einreisegesetz geändert wurde. Ich bekam weder das beantragte Visum, noch hatte ich irgendein offizielles Dokument in der Hand, das aussagte, was ich in Kanada tun werde. Darum hab ich mir damals die Immigration "erspart" und bin als Tourist eingereist.

Eigentlich hätte ich mir denken können, das mein Antrag auf das Arbeitsvisum bei der Immigration-Behörde aufscheint. Zum Glück hat der strenge Mann der mich verhörte nur die Augenbraue leicht nach oben gezogen und nicht weiter nachgefragt. Das ging nochmal gut.

Nikolas hat mich in Winnipeg vom Flughafen abgeholt, und mich in mein Appartment gebracht. Das Appartment ist im 14. Stock und um ein Eck grösser als das letzte Appartment. Es hat auch einen Balkon, aber bis jetzt hab ich nur kurz die Nase rausgestreckt - Adrenalin ole! Hab ich schon erwähnt, dass ich in den letzten Jahren eine Höhenangst entwickelt habe?

Danach ging es weiter ins KEG auf ein kühles Kokanee. Bis die Augenlider immer schwerer wurden und ein langer Tag nach 26 Stunden zu Ende ging.

Heute waren wir nochmal kurz an der Lower East Side.
Das ist ein urspruengliches Immigranten Viertel. Es heisst, das ca. 80% aller Immigranten aus Osteuropa ueber diesen Stadtteil nach Amerika kamen (ca. 1870 bis 1900). Grossteils lebten hier Juedische Familien, spaeter zogen immer mehr Italienisch-Katholische Immigranten in das ehemalige Jiddische Viertel. Denn jeder der es sich irgendwie leisten konnte, zog so schnell wie moeglich wieder von hier weg.

Heute sind noch einige Strassenzuege in fast Originalzustand (nur was die Grundmauern und die Fassaden betrifft), und es ist wieder "in" hier zu leben.

In der Orchard Street 90 gibt es ein "Tenement Museum". Tenements sind die alten 4 Story Buildings, die urspruenglich weder Elektrizitaet noch fliessend Wasser oder Gas hatten. Geheizt und gekocht wurde mit Kohle in der Kueche. Eines dieser alten Gebaeude ist noch im Ursprungszustand, da sich der Besitzer die teuren Renovierungen nicht leisten konnte. Das Gesetz schrieb vor, dass die Holzstiegen durch Metall oder Betonstiegen ersetzt werden muessen um die Brandgefahr einzudaemmen. Witziges Detail am Rande: Feuertreppen gab es nur auf einer Seite des Hauses, deswegen gab es Verbindungstueren zwischen den Wohnungen die nicht verschlossen werden durften. So hatten im Notfall alle Bewohner Zugang zu den Feuertreppen.

Auch gab es nur Toiletten am Gang und Waschbecken wurden erst viel spaeter (nach 1900) eingebaut. Zuvor gab es im Erdgeschoss eine "Bassena" und Toiletten. Zum Waschen ging man in ein Badehaus ein paar Strassen weiter.

Auf unserer Tour sahen wir original getreue Appartments aus 1870 und 1930.
Wen's interessiert, das Museum hat auch eine Homepage